Kölnmarathon 2018

Nach dem, nicht ganz gelungenem, Marathon-Debüt im Vorjahr in Kassel und einem äußerst schweren Frühjahr, war es am 07.10.18 endlich so weit: Der Marathon in Köln stand an. Auf diese Chance, das in Kassel denkbar knapp verpasste Ziel von unter 3 Stunden (3:00:13) zu erreichen, hatte ich nun über ein Jahr lang warten müssen.

In diesem Jahr war sehr viel passiert. Unter anderem zwang mich eine Knieverletzung im vergangenen Winter zu einer knapp viermonatigen Pause und somit zu dem Verzicht auf den Hamburgmarathon.

Nach dieser Zwangspause war der Verlauf der weiteren Saison für mich noch mehr als ungewiss. Hätte man mir im März gesagt, dass ich im Herbst einen Marathon komplett durchlaufen kann, egal mit welcher Zeit, hätte ich es wahrscheinlich nicht glauben können. Also startete ich mit niedrigen Erwartungen in die vergangenen Monaten und blickte lediglich von Woche zu Woche. Zu meinem Erfreuen stellte ich jedoch bereits im Frühsommer fest, dass die Form wieder passte und fasste demnach das alte Ziel, den Marathon unter drei Stunden zu laufen wieder ins Auge.

Nach einer harten Vorbereitung, nicht zuletzt durch den extrem heißen Sommer und durchwachsenen Wettkampfergebnissen, ohne neue Bestzeiten auf den relevanten Strecken, stand ich nun endlich an der Startlinie in Köln.

Bereits in den Tagen zuvor merkte ich, dass die Bedingungen in diesem Jahr jedoch deutlich besser waren. Nicht etwa, weil ich mich deutlich fitter fühlte oder mit stärkeren Zeiten im Rücken nach Köln fahren konnte, sondern weil ich ruhiger und ausgeglichener war. Ich wusste genau, was auf mich zukommt und konnte die Erfahrung aus dem letzten Jahr mitnehmen. Eine gewisse Anspannung war natürlich vorhanden, aber die große Aufregung und der selbst auferlegte Druck war es dieses Mal nicht. Ich wusste, dass ich in den vergangenen Monaten geleistet habe, was ich leisten konnte und dass ich es schaffen kann, wenn ich cool bleibe.

Und so ging ich das Rennen auch an. Vom ersten Kilometer an, lief ich konservativ und bedacht und achtete stets darauf, dass ich mich in der Gruppe der 3-Stunden-Läufer aufhielt. Das Tempo von ca. 4:10 / km fühlte sich locker an und schon bald merkte ich, dass meine Beine schneller laufen wollten.

Und so lief ich zwischen km 5 und 10 einen kleinen Vorsprung von ca. 100 Meter auf die besagte Gruppe raus, ohne dabei ein großes Risiko einzugehen. Was dann jedoch geschah, ist mir nach wie vor ein Rätsel. Ohne erkennbaren Grund und ohne Vorankündigung setzen, genau wie im vergangenen Jahr, urplötzlich immer heftiger werdende Seitenstiche bei mir ein. Diese wurden zwischendurch so heftig, dass ich mir mit einer Hand in den schmerzenden Bereich drücken und das Tempo rausnehmen musste. Ich ließ mich ein wenig fallen und mich von der großen Gruppe schlucken.

In meinem Kopf herrschte zu diesem Zeitpunkt absolutes Chaos. Wie willst du das noch über zwei Stunden aushalten? Sollte es das nun schon gewesen sein?

Ich versuchte mich am Ende der Gruppe einzugliedern und so gleichmäßig und ruhig zu atmen, wie es nur ging.

Anders als im letzten Jahr, nahm ich bereits nach acht Kilometern meine erste Verpflegung zu mir. Sowieso war der Plan in dieses Mal ein ganz anderer. Das Motto in Kassel war, was die Verpflegung anging: Weniger ist oft mehr. Dementsprechend wenig und selten hatte ich etwas zu mir genommen und am Ende, wahrscheinlich nicht zuletzt deswegen, auch den Preis dafür zahlen müssen. Die Wettkämpfe in diesem Jahr zeigten jedoch, dass mir eine häufigere und dafür kleiner portionierte Zunahme von Gelen wesentlich besser bekommt und mir insbesondere im letzten Abschnitt noch helfen kann.

Leider half die Einnahme bei den Seitenstichen ganz und gar nicht und ich musste mich bis ca. km 13 / 14 quälen. Dann endlich, merkte ich, dass die Schmerzen langsam weniger wurden und das Laufen wieder leichter fiel. Nach wie vor befand ich mich in der großen Gruppe der 3-Stunden-Läufer und überlegte mir, dies auch für die nächsten km nicht zu ändern. Sicher ist sicher, bloß nicht übermütig werden und schon gar nicht die gleichen Fehler wie im letzten Jahr machen.  Und so trieb ich im hinteren Teil dieser Gruppe bis zur HM-Marke, welche ich nach 1:29:21

erreichte. 3 Minuten langsamer als im vergangenen Jahr und ca. 1 Minuten langsamer als für dieses Rennen eigentlich geplant. Alles andere als eine herausragende Zeit. Von einem Ergebnis, deutlich unter 3 Stunden, konnte ich mich somit schon fast verabschieden und was noch entscheidender war, ich hatte so gut wie keinen Puffer. Noch so ein Anfall von Seitenstichen und das war es. Genau jetzt zeigte sich jedoch, dass ich mental stärker und schlicht und ergreifend auch reifer im Wettkampf geworden war. Die Herausforderung, jetzt nicht panisch zu werden, jedoch Gas zu geben und einen negativen Split im Marathon zu laufen, spornte mich an. Jetzt konnte ich zeigen, was in mir steckt und dass ich auch über 21,1 km noch etwas drauf habe.

Die Gedanken beflügelten mich und ich lief bedacht aber zielstrebig aus der Gruppe raus. Kilometer für Kilometer machte ich Boden gut und wurde immer etwas schneller. Letztes Jahr war ich derjenige, der zum Ende hin überholt wurde, dieses Jahr konnte ich einen Platz nach dem anderen nach vorne laufen.

Ein weiterer Vorteil war bei diesem Wettkampf zweifelsohne die Stimmung auf der Straße. Köln ist bis hier hin das geilste Publikum, welches ich jemals erlebt habe. Enge Gassen in der Altstadt, jubelnde Menschen, Live-Bands, Anfeuerungen der Läufer untereinander – Köln bietet alles. Im Vorfeld wurde seitens des Veranstalters die Stimmung am Rudolfplatz mit Alpe d´Huez verglichen, was mich doch zum Schmunzeln brachte. Als ich jedoch während des Rennens ganze drei Mal diesen Platz passieren durfte, wusste ich, dass bei dieser Beschreibung nicht übertrieben wurde.

Getoppt wurde das Ganze von meinen Vereinskollegen, die mich, wie auch im letzten Jahr, am Streckenrand so gut es nur ging unterstützen und mir damit zusätzlichen Auftrieb geben konnten.

Nachdem ich mir in den vergangenen 10 – 15 km einen komfortablen Vorsprung auf die 3-Stunden-Marke herauslaufen konnte, kam nun der entscheidende Teil des Marathons. Ich merkte, dass meine Beine nun langsam schwerer wurden und das mein Körper erste Signale sendete, dass er von der ganzen Aktion nicht mehr so begeistert war.

Nun war der Moment gekommen, an dem sich zeigen würde, ob ich gut vorbereitet war. Unter Leitung von meinem Trainer Arne, sah meine Vorbereitung in diesem Jahr insgesamt weniger Kilometer, dafür jedoch deutlich mehr Trainingsspitzen in Form von einigen 35km-Läufen (teilweise mit schon mit langen Abschnitten im Marathon-Tempo), Koppeltraining mit dem MTB und einer 145km MTB-Tour, vor. Auf diese Einheiten und meine mentale Stärke vertraute ich zu dieser Phase des Rennens und obwohl das Laufen schwerer wurde, beschleunigte ich noch einmal das Tempo. Bei km 35 – 36 lief eine dreiköpfige Gruppe mit deutlich höherem Tempo von hinten auf mich auf und wollte im gleichen Moment an mir vorbei ziehen. Was solls – lange ist es eh nicht mehr, dachte ich mir und blieb dran. Zu meiner eigenen Überraschung konnte ich diese Gruppe nach 2 – 3 Kilometern sogar noch hinter mir lassen und mit Blick auf dem Dom, welcher das Ziel in ein paar Kilometern in der Ferne darstellte, ein Tempo von 4 Minuten / km anschlagen.

Diese Mal kam er nicht – der Mann mit dem Hammer. Beziehungsweise dieses Mal hatte ich ihm etwas entgegen zu setzen. Die richtige Vorbereitung, die richtige Verpflegung, die Unterstützung meiner Leute und die Stimmung an der Stärke, sowie der deutlich verbesserte Dialog mit mir selbst, sorgten dafür, dass ich bei km 40 wusste: Ich schaffe es. Beflügelt von diesem Gefühl und mit den verbliebenen Kraftreserven genoss ich die letzten Meter dieses geilen Wettkampfes, der mal wieder alles zu bieten hatte, was den Marathon ausmacht und erreichte glücklich und erschöpft nach 42,195 km als 110ter von ca. 6.500 Läufern das Ziel.

Dieses Mal ging ich nicht zu Boden, sondern riss die Hände in die Höhe und jubelte. Ein unbeschreibliches Gefühl: Marathon in 2:57:18 – ich habe es geschafft.

Jetzt kann ich mich zufrieden und in Ruhe auf meine Erholung und Dinge konzentrieren, die nichts mit dem Laufen zu tun haben und vielleicht die Fehler vermeiden, die im letzten Jahr zu der Verletzung geführt haben.

Vielen Dank an meinen Trainer Arne und alle Leute, die mich in der Vorbereitung und bei dem Wettkampf begleitet, unterstützt und auch ertragen haben. Laufen ist eben doch ein Teamsport!